Vor dem Tübinger Landgericht muss sich ein 67-jähriger für den sexuellen Missbrauch von Kindern verantworten. Er soll die Taten gefilmt haben. Foto: Biermayer

Ein 57-jähriger, früher im Kreis Calw wohnhafter Mann, muss sich vor dem Tübinger Landgericht für den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern verantworten. Er soll dies auch gefilmt haben. Der Angeklagte räumt die Taten zu Prozessbeginn ein.

Als der Angeklagte den Schwurgerichtssaal im Tübinger Landgericht betrat, hielt er sich einen Ordner vor sein Gesicht. Als Oberstaatsanwältin Rotraud Hölscher schließlich die Anklage verließt, stützte er seinen Kopf mit geschlossenen Augen auf seine gefalteten Hände. Und was dem verheirateten 57-Jährigen – er wohnte lange Jahre im Kreis Calw, zuletzt aber im schwäbischen Teil Bayerns – vorgeworfen wird, hat es in sich.

Hölscher listet mehrere schwere Sexualstraftaten auf, die der Angeklagte zwischen 2006 und 2013 im Kreis Calw begangen haben soll. Konkret legt sie ihm zur Last, sich mehrfach an seiner sich damals im Grundschulalter befindlichen Tochter vergangen zu haben. Er habe sie unter anderem zu sexuellen Handlungen angeleitet und diese auch an ihr vorgenommen. Mehrere dieser Taten habe er gefilmt.

Missbrauchte Kinder trugen teilweise noch Windeln

Zu seinen Opfern gehörte laut Staatsanwaltschaft aber nicht nur das eigene Kind. Auch an dessen Freundinnen und an Kindern, welche befreundete Eltern in seine Obhut gaben, habe er sich vergangen. Diese Kinder waren teilweise jünger, trugen noch Windeln. Das Wechseln dieser oder den Klogang habe er als Tatmöglichkeit genutzt. Auch mehrere dieser Taten habe der Angeklagte gefilmt, so Hölscher.

Der Fokus der Aufnahmen habe auf dem Intimbereich der Kinder gelegen, teilweise aber auch auf eigenen sexuellen Handlungen die er in Gegenwart der Opfer vornahm oder dieses zu solchen anwies. Öfters verging er sich an schlafenden Kindern.

Seit 2001, so führte Hölscher weiter aus, habe der Angeklagte das Internet genutzt, um Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu verschicken und zu empfangen. Ab 2018 sei er dafür im Darknet unterwegs gewesen. Dabei habe es sich fast ausschließlich um Mädchen vom Babyalter bis ins Alter von zwölf Jahren gehandelt. Der Schwerpunkt lag auf „Klein- und Kleinstkindern“, so die Oberstaatsanwältin. Die Darstellungen beinhalteten auch Geschlechtsverkehr.

Mehrere hunderttausend Fotos 

Über den Tor-Browser gelangte er ins Darknet, so Hölscher. Der Mann habe sich dadurch einen „sicheren Konsum“ erhofft. Dort sei er auf einschlägigen Portalen unterwegs gewesen. Als Interesse habe er in seinem Profil „je kleiner, desto besser“ angegeben. „Favorite Age 1“, sei eine weitere Angabe gewesen. Der Angeklagte habe auf den Plattformen Videos hoch- und runtergeladen. Die Ermittler hätten bei ihm „mehrere hunderttausend Dateien“ gefunden, „gut geordnet gespeichert“, so Hölscher. Auch eine Sexpuppe im Kindesalter und entsprechende Unterwäsche habe er besessen.

2017 und 2018 soll er über das Internet zudem Kontakt zu einer zwölf- und einer 15-Jährigen aufgenommen haben. Der einen schickte er, so Hölscher, Videos mit sexuellem Inhalt von sich. Die andere forderte er via Webcam auf, sich vor ihm auszuziehen, erklärte sie weiter. Letzteres habe er aufgezeichnet. Für mehr als 100 Fälle der sexuellen Handlungen an einem Kind und den Besitz sowie die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen muss er sich nun verantworten.

Richterin Manuela Haußmann erläuterte dem Angeklagten, dass ein Geständnis einen „Strafrabatt“ von bis zu einem Drittel bringen könne. Denn ein Geständnis erleichtere die Beweisaufnahme und erspare den Opfern eine Aussage. „Mein Mandant räumt die Vorwürfe der Anklage vollumfänglich ein“, erklärte Verteidiger Cornelius Schaffrath. Der Angeklagte machte keine weiteren Angaben.

Opfer müssen nicht vor Gericht aussagen

Der Verteidiger versuchte, mit dem Gericht eine schnelle Einigung zu erzielen. Haußmann lehnte dies mit Verweis auf ein ausstehendes psychiatrisches Gutachten ab. Zudem meinte Schaffrath, dass die Videos zeigten, dass sein Mandant beim Missbrauch „sehr schonend“ vorgegangen sei. Die Kinder hätten es manchmal nicht einmal bemerkt.

Das Gericht wird sich diese Videos – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – am nächsten Verhandlungstag nun anschauen. Als Zeugen treten die Ermittler auf. Das könnte erklären, wie sie auf die Spur des Angeklagten gekommen sind. Durch das Geständnis bleibt aber immerhin den Opfern eine Aussage erspart. Richterin Haußmann hatte die – in Anbetracht einer möglichen Retraumatisierung – bisher gar nicht erst als Zeugen geladen. Der Angeklagte sitzt weiterhin in Untersuchungshaft.