Ralph Freedman † Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder-Bote

Nachruf: Der Hesse-Biograf Ralph Freedman ist tot

Von Uli Rohfuß

Calw. Ralph Freedman ist tot. Er ist im 96. Lebensjahr in seiner Heimatstadt Decatur in den USA gestorben.

Viele Calwer werden sich an ihn erinnern – und alle, die sich in irgend einer Form mit Hermann Hesse beschäftigen, dürften ihn und seine große Biografie "Hermann Hesse – Pilgrim of Crisis" über den Dichter kennen. Diese setzte nicht nur für den deutschsprachigen Raum dauerhaft Maßstäbe. Sie wurde auch in zahlreiche Sprachen weltweit übersetzt. Hinzu kam in den 2000er-Jahren noch die umfassende, genauso weltweit Verbreitung findende, zweibändige Rilke-Biografie ("Rainer Maria Rilke – Life of a Poet", mit der Ralph Freedman sich dauerhaft in die deutsche Literaturgeschichte hineingeschrieben hat.

Dank an Stadt

Ralph Freedman war im Internationalen Hermann-Hesse-Jahr 2002 bei einem Festakt vor tausenden Besuchern auf dem Calwer Marktplatz für seine Verdienste um das Werk Hesses mit der Hermann-Hesse-Medaille ausgezeichnet worden. Viele Calwer werden sich an seine Dankesrede – ein Dank an Hermann Hesse, an seine Geburtsstadt Calw und schließlich an die deutsche Sprache erinnern, genauso wie an seine Vor- und Beiträge bei den Internationalen Hermann-Hesse-Kolloquien.

Das war für ihn der Anlass, das wiederholte Freedman bei Gelegenheit gerne, sich daran zu machen, nach Jahrzehnten wieder einen größeren Text auf Deutsch zu schreiben – dem bald schon weitere folgen sollten. Seine Calwer Reden sollten dann auch in einem sorgfältig redigierten Bändchen der damaligen Kreissparkasse Calw herausgegeben werden.

Ralph Freedman war dauerhaft sowie intensiv zum Freund Calws und mancher Calwer geworden. Er kehrte gerne und mit höchster Freude immer wieder nach diesem ersten Auftritt in das Städtchen zurück, traf auch bei Gelegenheit den Oberbürgermeister sowie andere Offizielle. Vor allem aber liebte er es, sich wie einst der junge Hesse durch die Gassen zu bewegen.

Es war alles andere als selbstverständlich, dass Ralph Freedman diese Liebe zur deutschen Sprache und Literatur ein Leben lang behielt. In Hamburg, der anderen geliebten Stadt Deutschlands, geboren und aufgewachsen, wurde er als ganz junger Erwachsener seiner jüdischen Herkunft wegen weggejagt. Er verlor aber das Vertrauen in die deutsche Dichtung nie. Der Zeit als Helfer auf Bauernhöfen in England folgten die Übersiedlung nach Amerika, das Studium, dann die Rückkehr nach Europa als alliierter Offizier bei der Invasion in Italien. Europa und vor allem Deutschland von der Diktatur zu befreien, daran wollte er mitarbeiten.

Beachteter Roman

Später erschien über Erlebnisse in dieser Zeit sein in den USA viel beachteter Roman "Rue the Day", der als "Best Historical Fiction" mit dem "InDie Book Award" ausgezeichnet wurde. Wie überhaupt er nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit der Literatur anderer immer mehr dahin zurückkehrte, womit er begonnen hatte: Als junger Mann hat er in den USA einen damals gleich ausgezeichneten Roman "Divided" veröffentlicht. Im Alter schrieb er an Erzählungen und vor allem an den eigenen Memoiren.

Ralph Freedman war ein großer Mensch, ein herausragender Wissenschaftler, der es als Emigrant geschafft hat, als einer der weltweit anerkanntesten Germanisten den akademischen Gipfel als Princeton-Professor zu erklimmen. Er war aber auch nicht zuletzt ein Botschafter Calws.