Maschinenbau-Chef Reinhold Festge setzt auf das Freihandelsabkommen mit den USA Foto: VDMA

Der deutsche Maschinenbau verlangt von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sich stärker für den freien Handel mit den USA einzusetzen. Der Mittelstand leide unter der Bürokratie beim Export.

Der deutsche Maschinenbau verlangt von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, sich stärker für den freien Handel mit den USA einzusetzen. Der Mittelstand leide unter der Bürokratie beim Export.
 
Berlin - Herr Festge, über das Freihandelsabkommen TTIP ist vor allem Kritisches zu hören. Glauben Sie tatsächlich noch daran, dass es zu dem Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa kommt?
Ich glaube fest daran, weil es einfach notwendig ist. Denn vor allem Europa hätte großen Nutzen davon. Trotz unseres gemeinsamen Marktes ist Europa zu klein, um auf Dauer neben Märkten wie China oder Indien mit jeweils über einer Milliarden Menschen auch in fernerer Zukunft konkurrenzfähig bestehen zu können. Da müssen einfach USA und EU ihre Märkte einander öffnen.
Wenn Sie tatsächlich davon so überzeugt sind, warum haben Sie dann nicht von vornherein für TTIP offensiv geworben?
Sie haben recht, es war ein Fehler von Seiten der deutschen Wirtschaft die öffentliche Debatte zu lange den TTIP-Gegnern zu überlassen. Wir waren einfach so naiv zu glauben, dass gerade eine Exportnation wie Deutschland von vornherein verstehen würde, welche Nutzen es hätte, wenn Amerikaner und Europäer gegenseitig ihre Handelsbarrieren aufheben.
Und das berühmte Chlorhühnchen als bittere Pille schlucken?
Bevor ich ein Maschinenbauunternehmen führte, war ich Arzt. Ich habe mehrere Jahre in den USA gelebt, gesund und munter. Ich kann Ihnen versichern, dass die angeblich so niedrigen US-Standards in der Nahrungsmittelherstellung keineswegs schlechter als unsere sind. Ich will gar nicht daran erinnern, welche Lebensmittelskandale wir gerade in Deutschland wegen Hühnern und Hühnereier hatten. Aber es kann wirklich nicht Aufgabe eines Verbandsvertreters des Maschinenbaus sein, darauf hinzuweisen, dass man sich in Fragen der Nahrungsmittelhygiene besser erst einmal an die eigene Nase fasst, bevor man sie über andere rümpft.
Wer hätte denn statt der Wirtschaft den TTIP-Gegnern Paroli bieten sollen?
Ich wünsche mir von der Bundesregierung mehr Einsatz in der Auseinandersetzung – und natürlich eindeutig für das transatlantische Freihandelsabkommen. Im Augenblick kommt es mir so vor, als warten unsere Kanzlerin und unser Wirtschaftsminister erst einmal seelenruhig ab, wie sich die Debatte entwickelt, um sich in letzter Minute auf die Seite der vermuteten Mehrheit schlagen. Das könnte ein Pyrrhussieg sein.
Was meinen Sie damit?
Die veröffentlichte Meinung entspricht nicht immer der tatsächlichen Mehrheitsmeinung. Wir haben das bereits bei Stuttgart 21 erlebt, wo eine Volksabstimmung zu einem anderen als weithin vermuteten Ergebnis kam. Lautstärke allein ist also kein Argument. Die Bundesregierung sollte sich hüten, die Debatte bereits verloren zu geben, weil einige Interessengruppen aus einem Chlorhühnchen einen Riesentruthahn machen.
Wie lautet Ihr wichtigstes Argument für TTIP?
TTIP würde den industriellen Mittelstand stärken und Arbeitsplätze schaffen.
Warum?
Weil wir als industrieller Mittelstand besonders unter den administrativen Belastungen leiden. Wir haben nicht die Personaldecke wie Konzerne, um mal eben mit zehn Mitarbeitern die Ausfuhr in die USA zolltechnisch zu bearbeiten. Wir haben eben auch keine 50 Mitarbeiter in der Abteilung Normierung und Standardisierung, um für jedes Produkt die technische Marktzulassung zu prüfen, einzuholen und notfalls durch Umbauten sicherzustellen. Natürlich gibt es bereits viele Mittelständler im Maschinenbau, die schon jetzt auf dem US-Markt durchaus erfolgreich sind. Die USA sind der zweitwichtigste Exportmarkt und der wichtigste ausländische Investitionsstandort für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau. Aber es könnte noch weit besser laufen, wenn es keine technischen Hürden gäbe.
Aber das unternehmerische Risiko soll begrenzt sein. Warum pochen Sie sonst auf das Investitionsschutzabkommen?
Investitionsschutz ist Vertrauensschutz. Wir haben das bereits in 131 Abkommen geregelt. Ausgerechnet beim 132. Abkommen soll das nicht gelten? Das riecht mir ein bisschen nach Antiamerikanismus. Ehrlich gesagt, die Spionagevorfälle stinken zum Himmel. Wir sollten aber nicht genau dort Revanche nehmen, wo es um unsere eigenen Interessen geht. Denn über eins müssen wir Europäer uns im Klaren sein: Wenn wir das Freihandelsabkommen nicht hinbekommen, konzentrieren sich die USA immer stärker auf ihre Partner im pazifischen Raum. Das können wir nicht wollen.