Polizeieinsätze und verschärfte Präsenz bei Traditionsfesten sind längst nicht mehr die Ausnahme. Foto: Symbolbild/dpa

Nach massiver Gewalt beim Bietigheimer Pferdemarkt denken Kommunen in der Region über zusätzliches Sicherheitspersonal nach.

Bietigheim-Bissingen - Rohe Gewalt statt fröhlicher Feierlaune, Reizgas und Schlagstöcke statt bierseliger Gemütlichkeit: Der Bietigheimer Pferdemarkt, eines der ältesten Heimatfeste der Region, ist am Wochenende von brutalen Angriffen auf Festbesucher und massiven Drohungen gegen die Ordnungshüter überschattet worden.

Allein bis Sonntagmorgen registrierte die Polizei fünf Fälle von gefährlicher Körperverletzung, vor allem in der Nacht zum Samstag hatten die Einsatzkräfte durch die aggressive Stimmung kaum eine ruhige Minute. „Im Lauf der Nacht wurden die Kolleginnen und Kollegen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht“, zieht Jürgen Hamm, der Leiter des Bietigheimer Polizeireviers, ungeschminkt Bilanz.

Immer wieder sahen sich die Beamten ganzen Gruppen von Krawallmachern gegenüber, die nur durch die Drohung mit Reizgas und Schlagstockeinsatz auf Distanz gehalten werden konnten. Der Revierchef spricht von „aggressivem Verhalten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß“. An eine Festnahme von Ruhestörern oder die Aufnahme von Personalien war in der aufgeheizten Stimmung auch laut dem Ludwigsburger Polizeisprecher Peter Widenhorn nicht zu denken. „Mehrfach wurden die eingesetzten Kollegen von 15 bis 20 Personen umringt und bedroht. Bis Verstärkung eintraf, waren die fraglichen Personen längst untergetaucht“, berichtet er vom Katz-und-Maus-Spiel mit den Randalierern.

Polizei verstärkt ihre Präsenz

Während die Einsatzkräfte vor allem verbal bedroht wurden – die Polizeibeamten berichteten von Sätzen wie „Ich stech’ dich ab“ –, endete der Bummel übers Festgelände unterm Enztalviadukt für mehrere Opfer blutig. Mindestens zwei unbeteiligte Pferdemarktbesucher wurden von Angreifern zu Boden geschleudert und brutal mit Tritten und Schlägen traktiert, insgesamt fünf Vorfälle stuft die Polizei als gefährliche Körperverletzung ein. Im vergangenen Jahr hatte es an den fünf Pferdemarkt-Tagen zwei derart schwere Übergriffe gegeben.

Als erste Konsequenz auf die Gewaltexzesse am Wochenende hatte die Polizei ihre Präsenz bei dem Traditionsfest am Montag und Dienstag deutlich verstärkt. Laut Sprecher Widenhorn waren in den Abendstunden neben den normalen Polizeistreifen mindestens 15 zusätzliche Beamte im Einsatz, um die Sicherheit rund ums Festzelt zu gewährleisten. Aus Sicht der Polizeidirektion führte das massive Aufgebot wenigstens zu einem harmonischen Ausklang der Großveranstaltung – zu ähnlich gravierenden Vorfällen wie am Wochenende kam es offenbar nicht mehr. Eine Abschlussbilanz wollen die Einsatzkräfte allerdings erst an diesem Mittwoch ziehen.

Eine bemerkenswerte Erkenntnis gibt es allerdings schon jetzt: Der Alkoholpegel der Festgäste spielte bei den Übergriffen offenbar keine Rolle. Statt mit angetrunkenen Jugendlichen hatten es die Ordnungshüter auf dem Pferdemarkt mit Cliquen junger Erwachsener zu tun, die wenig oder gar nicht zum Bierglas gegriffen hatten. Allerdings legten es die Krawallmacher gezielt auf Auseinandersetzungen mit Polizei und Festbesuchern an. „Das ist ein Phänomen, das wir uns auch noch nicht erklären können“, kommentiert Polizeisprecher Widenhorn. Landläufig gilt exzessiver Alkoholgenuss als Auslöser für Schlägereien, mit der Wahrnehmungsfähigkeit sinkt in der Regel auch die Hemmschwelle für gewalttätige Angriffe. Ins Bild passt auch, dass es im Pferdemarkt-Festzelt selbst keine außergewöhnlichen Probleme gab. Weil aus der Erfahrung vergangener Jahre am Einlass auf strengste Jugendschutzkontrollen gesetzt wurde, hielten sich Alkoholexzesse in Grenzen, Festwirt Karl Maier zeigte sich mit der Arbeit seines Sicherheitsdiensts und der Stimmung des Publikums zufrieden.

„Die Einhaltung der Sperrzeiten wird auch in den Gaststätten sehr genau kontrolliert“

Die vom Bierkonsum ausgelösten Randale der vergangenen Jahre hatten dafür gesorgt, dass sich die Stadt Bietigheim bereits 2011 ein verschärftes Sicherheitskonzept für den Rummel um Ross und Reiter verordnet hat. „Die Einhaltung der Sperrzeiten wird nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht nur auf dem Festgelände, sondern auch in den Gaststätten sehr genau kontrolliert“, erklärt Rathaussprecherin Anette Hochmuth. Neben dem Jugendschutz hatte Bietigheim im Vorfeld des Pferdemarkts auch auf die bessere Zusammenarbeit von Polizei, Feuerwehr und Ordnungskräften geachtet, um bei Vorfällen wie im vergangenen Jahr schneller reagieren zu können. Der Hintergrund: 2011 hatte ein Brand in einem Innenstadtgeschäft die Stadt zum Abbruch des großen Festzugs gezwungen, die traditionsreiche Parade von Kutschen, Pferden und Spielmannszügen kam wegen des Feuers nicht ins Ziel.

Bei einer Besprechung mit der Polizei will sich Bietigheim nach den Vorfällen beim diesjährigen Pferdemarkt allerdings erneut um Manöverkritik bemühen. „Wir werden das aufarbeiten und überlegen, was wir als Stadt noch tun können“, kündigt die Rathaussprecherin an. Beim ebenfalls weit über 100.000 Besucher anlockenden Schäferlauf im nur wenige Kilometer entfernten Markgröningen hat sich die Investition in die Sicherheit offenbar ausgezahlt. Weil bei dem Traditionsfest mittlerweile 180 Ordnungshüter und Securitykräfte im Einsatz sind, sieht die Polizei einen „harmonischen Festverlauf“ – neben einem Schlag mit einem Bierglas und einem Gerangel auf dem Heimweg wurden keine Zwischenfälle gemeldet.