Holger Urbainczyk (von links) Maximiliane Fleig, Annika Isak und Volker Schubert stellen Glücksspieler an Automaten nach. Foto: Schimkat Foto: Schwarzwälder-Bote

Glücksspielsucht: Fachabend in der Neuen Tonhalle

Schwarzwald-Baar-Kreis. Mit einer szenischen Lesung und einem Referat des Psychologen Tobias Hayer mahnten die Darsteller in der Neuen Tonhalle die Zuhörer daran, "wie schnell Spiel zur Sucht wird". Andreas Menge-Altenburger, Leiter der Fachstelle Sucht mit Mobiler Jugendarbeit, begrüßte die knapp 70 Zuhörer in der Tonhalle zum Fachabend "Glücksspielsucht". Gefördert wird die Aktion vom Ministerium für Arbeit und Sozialordnung Familie und Senioren aus Mitteln des Landes Baden Württemberg im Rahmen des Zukunftplans Jugend. Maximiliane Fleig, Annika Isak, Volker Schubert und Holger Urbainczyk spielten in einer szenischen Lesung vier Jugendliche und ihre Gedanken vor den Spielautomaten. Eigentlich war ein Lauftheater, sozusagen vom Wohnzimmer bis zur Dönerbude und Spielotheken, mit Jugendlichen in Villingen geplant, doch dieses Projekt fand mangels Teilnehmer nicht statt. Zum ersten Mal gespielt und schon spuckte der Apparat 90 Euro aus, das war das erste Erlebnis, das sich so schnell nicht wiederholen würde, aber dieser erste Kick wirkte nachhaltig. Die vier dargestellten Jugendlichen verloren sich im Aberglauben, dass es eine bestimmte Technik geben müsse, damit der Apparat Geld ausspucke. Je mehr Tricks sie ausprobierten, desto mehr glaubten sie, dass der Apparat mitdenke und ihnen immer einen Schritt voraus sei. "Ich gehe nie mehr hin und dann bin ich doch wieder hingegangen", gestanden sich die vier ein, ohne zu merken, dass unterm Strich nur einer gewinnt – der Glücksspielanbieter. Referent Tobias Hayer von der Universität Bremen war eigens für sein Referat zu den Gefahren des Glücksspiels nach Villingen gekommen. Schon auf dem kurzen Weg vom Hotel zur Tonhalle sei er an zwei Geschäften, die Glücksspiel anbieten, vorbeigekommen, erklärte er. Das Durchschnittsalter der Glücksspieler sinke jährlich, zur Zeit liege es bei 28 Jahren, eröffnete er sein Referat und brachte es sofort auf den Punkt: "Bei einer Glücksspielsucht ist das Risiko von Verschuldung und Verarmung besonders groß und betrifft auch die Angehörigen in besonderem Maße". Ob Lotto, Sportwetten, Poker, Black Jack oder unter anderem Geldspielautomaten, der Spieler, der sein Geld eingesetzt hat hofft immer auf einen Gewinn, so Hayer. Dieses Hoffen erzeuge Stimulation, Emotionen und Ablenkung von Belastungen, während der Verlust Ärger und Niedergeschlagenheit nach sich ziehe. Drogenkonsum und Alkoholsucht sehe man den Menschen an, doch eine Glücksspielsucht könne man über Jahre geheim halten, fuhr er fort. 500 000 Erwachsene hätten zur Zeit Glücksspielprobleme in Deutschland, so Hayer. Sportwetten, vor allem im Fußball, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, auch bei den Spielern selbst. Darunter seien auch Minderjährige, betonte er. Es werde sogar in der Kabine oder im Flugzeug gewettet, erzählte er und erklärte, dass die Überschätzung der eigenen Einflussnahme auf den Spielausgang eine wesentliche Triebfeder zum Wetten sei. Durch die Werbung an den Banden und im Fernsehen, zum Beispiel für "tipico" werde Wetten gesellschaftsfähig, aber: "Sie können bei Sportwetten nicht gewinnen", schloss Hayer.

Im Anschluss an sein Referat stellten einige Zuhörer Fragen, zum Beispiel ob man Glücksspiel nicht verbieten könne. Da wäre nicht viel gewonnen, es ist schon zu etabliert, antwortete er. Eine Mutter beklagte, dass in ihrer Stadt an jeder Ecke eine Spielothek aus dem Boden schieße. Auf die Frage an die vier Darsteller, warum die Jugendlichen nicht an dem Projekt teilnehmen wollten, antwortete diese, es gebe zu viele Baustellen in ihrem Leben, auch sei es nicht so einfach, sich seiner eigenen Sucht zu stellen.