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Auftakt am 7. Oktober vor dem Landgericht in Mannheim. Verfahren gegenJürgen G. Hess eingestellt.

Villingen-Schwenningen/Mannheim - Knapp sieben Jahre nachdem der Börsenskandal um die Villinger Hess AG öffentlich wurde, wird am 7. Oktober nun das Strafverfahren eröffnet. Es sind drei Personen angeklagt, gegen andere Beteiligte wurden die Verfahren nach Geldzahlungen eingestellt.

Die große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts in Mannheim hat entschieden: Das Strafverfahren gegen den Villinger Leuchtenhersteller Hess AG wird am 7. Oktober eröffnet. Angeklagt sind neben dem ehemaligen Geschäftsführer Christoph Hess, auch der ehemalige Mit-Geschäftsführer und Finanz-Vorstand Peter Ziegler sowie eine weitere Person, die laut Staatsanwaltschaft ebenfalls eine tragende Rolle in dem Bilanzskandal der Firma gespielt haben soll.

Andere Prozesse hatten bislang Vorrang

Die Anklageschrift umfasst laut Richter Sebastian Bröckner, Pressesprecher am Landgericht in Mannheim, "rund 20 Anklagepunkte". Lediglich ein Tatvorwurf, den die Staatanwaltschaft ursprünglich erhob, werde nicht im Verfahren eröffnet, so Bröckner. So stehen unter anderem Untreue im besonders schweren Fall und der Verdacht der unrichtigen Darstellung nach dem Handelsgesetzbuch beziehungsweise Aktiengesetz nebst Verletzung der Buchführungspflicht, des Kapitalanlagebetruges mit vorsätzlicher Marktmanipulation und des Kreditbetruges im Raum.

Dass es so viele Jahre gedauert hat, bis nun tatsächlich das Strafverfahren eröffnet wird, liegt laut Richter Bröckner an der Kapazität des Landgerichts. "In Mannheim konzentriert sich das ganze Wirtschaftsrecht." Manche Prozesse benötigten viel Zeit und natürlich auch Ressourcen. "Hinzu kommt, dass Haftverfahren vorrangig behandelt werden, wozu Hess nicht gehört. Hier sitzt ja keiner der Beteiligten in Untersuchungshaft", erklärt Bröckner. Als "besonders dringend" würde er den Prozessauftakt mit Blick auf die Zeitspanne jedoch noch nicht einstufen. "Der vorsitzende Richter sieht noch keine Verjährungsgefahr für die ersten Taten", versichert Bröckner.

Vorläufig 36 Verhandlungstage angesetzt

Dieses Verfahren könnte zum größten Wirtschaftsprozess in der Geschichte des Schwarzwald-Baar-Kreises werden. Dafür spricht auch, dass bis zum 31. März 2021 vorläufig 36 Verhandlungstage angesetzt sind, allerdings ab April auch wöchentlich ein weiterer Termin reserviert ist, wie Sebastian Bröckner berichtet. "Der vorsitzende Richter Oliver Ratzel geht davon aus, dass der Prozess 2021 abgeschlossen werden kann – allerdings nicht bis März", so der Pressesprecher.

Wie in der Vergangenheit berichtet, waren noch mehrere Personen in den Hess-Skandal verwickelt. Dass nun nur drei davon angeklagt sind, ist einfach zu erklären: Die anderen Verfahren wurden einvernehmlich beschleunigt und eingestellt. Heißt: Die Verfahren der Beteiligten, darunter auch Senior-Chef Jürgen G. Hess, wurden nach jeweiliger Geldzahlung eingestellt.

Paragraf 153 beschleunigt Verfahren

Das sei ein beschleunigtes Verfahren nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung (StPO), so Bröckner. Darin heißt es: "Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht."

Dass dies unter anderem bei Jürgen G. Hess zum Tragen kam, jedoch nicht bei den drei Angeklagten, bedeutet im Umkehrschluss, dass der Senior-Chef aus Sicht von Staatsanwaltschaft und Gericht nicht im selben Umfang an den Machenschaften beteiligt war, wie sein Sohn, Peter Ziegler und der Dritte.