Ländliches Idyll: So sah Laufen vor der Bombardierung aus. Das Bild stammt vermutlich aus dem Jahr 1942. Foto: Stadtarchiv Albstadt Foto: Schwarzwälder Bote

Luftangriff: Am 22. Februar 1945 kam der Krieg nach Laufen / 19 Menschen wurden getötet

Albstadt-Laufen - Heute ist es auf den Tag 75 Jahre her, dass Laufen von Flugzeugen der Alliierten bombardiert wurde. 19 Menschen kamen bei dem Angriff ums Leben. Gustav Rieber hat in der Chronik "Laufen" beschrieben, was sich am 22. Februar 1945 in Laufen zutrug.

Gegen 9.30 Uhr war der erste Fliegeralarm gegeben worden, aber nur die nach Laufen evakuierten Rheinländerinnen rannten mit ihren Kindern in den Luftschutzkeller. Von so manchem wurden sie deswegen belächelt. Wem würde es in den Sinn kommen, auf einen Flecken Bomben abzuwerfen, in dem nur noch Frauen, Kinder und alte Männer zu Hause waren und es überhaupt keine Industrie gab?

Gegen 13 Uhr heulten erneut die Sirenen. In ununterbrochenen Wellen zogen die Bomber über das Tal Richtung Ulm, Augsburg, München. Plötzlich lösten sich sechs schwere Bomber aus dem Verband und drehten nach Norden ab. Drei von ihnen kehrten aus nordwestlicher Richtung zurück, steuerten Laufen an und öffneten auf Höhe des Fichtwäldles die Bombenschächte. Innerhalb von Sekunden verschwand der Flecken in einer Staubwolke gehüllt; erst als sich diese gelegt hatte, war das Ausmaß der Verwüstung zu erkennen. An der Gräbe lagen Trümmerhaufen, und in Straße und Gleiskörper gähnten Bombentrichter.

Blindgänger gefährdeten die Suche nach Opfern

Männer vom Volkssturm, alte Laufener, waren die ersten, die nach Verschütteten suchten. Fieberhaft versuchten sie, mit Klopfzeichen Überlebende aufzuspüren und auszugraben. Um 14 Uhr traf aus Ebingen eine 20 Mann starke Einheit der Technischen Nothilfe ein und legte bei der Bergung von Mensch und Tier Hand an. Erschwert wurde die Suche durch Blindgänger – um 13.45 Uhr ging die erste Bombe im Bahndamm hoch und hinterließ einen Riesenkrater, um 15.45 Uhr zerstörte eine weitere Bombe Karl Schicks Haus beim "Mohren" und um 18.15 Uhr explodierte ein weiterer Sprengkörper und riss die schwer beschädigten umliegenden Häuser vollends ein.

Am Abend traf eine Einheit namens Todt ein, die die Bombentrichter auf dem Bahndamm auffüllte und das Eisenbahngleis wieder befahrbar machte. Vom KZ Dormettingen wurden Häftlinge herbeigeschafft. Sie mussten die Bomben ausgraben, die noch nicht explodiert waren: ein Himmelfahrtskommando. Den Männern war gesagt worden, dass sie entlassen werden würden, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hätten, und sie waren bereit, das Leben zu riskieren, um nicht langsam in den Schieferbrüchen verrecken zu müssen. Sie luden eine ausgegrabene Bombe auf den Karren, in dem eine untergelegte Strohschütte Erschütterungen dämpfen sollte, zogen ihn zum Stich hinunter und luden die Bombe ab. Kaum hatten sie sich ein Stück weit entfernt, da ging sie hoch. Die anderen ausgegrabenen Bomben wurden auf den Stegenwasen gesprengt.

Beim Luftangriff waren auf einen Schlag 15 Menschen getötet, sechs schwer verwundet und elf leichter verletzt worden. Drei wurden vermisst; zwei davon fand man Tage später tot unterm Schutt, eine junge Frau blieb vermisst. Eine weitere Frau erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen. Insgesamt waren bei dem Angriff 19 Menschen ums Leben gekommen, darunter elf Frauen, drei Kinder und fünf Männer. Das jüngste Opfer war noch keine drei Jahre alt, das älteste 87. 19 Häuser wurden total zerstört, zwei weitere schwer, die meisten Häuser Laufens wiesen Glas- und Dachschäden auf. 70 Personen waren obdachlos geworden und hatten ihren ganzen Hausrat verloren. Vier Pferde, 13 Kühe, vier Rinder, elf Ziegen, drei Kälber und vier Schweine waren umgekommen. Die Kadaver wurden neben dem Pfarrhaus in einem vier Meter tiefen Bombentrichter vergraben.

Insgesamt waren an diesem Tag 25 schwere Bomben auf Laufen gefallen; man ging noch sechs bis acht Zeitbomben und Blindgängern aus. In einem Gasthaus in Eyachtal soll nach dem Krieg ein Reisender der Wirtin erzählt haben, er habe als polnischer Offizier an dem Angriff auf Laufen teilgenommen. Auf seinen Karten sei der Ort mit einem Kreuz als Ziel bezeichnet gewesen, während ein Kreis um Lautlingen anzeigte, dass es nicht angegriffen werden durfte. Warum Laufen bombardiert wurde, war ihm nicht bekannt. Die wahrscheinlichste Erklärung: Die Bahnlinie sollte unterbrochen werden – ein Ziel, das nicht einmal für die Dauer eines Tages erreicht wurde.

Seite 2: 19 Todesopfer in Laufen

Albstadt-Laufen - 19 Menschen wurden beim alliierten Bombenangriff auf Laufen getötet: drei Kinder, elf Frauen, vier Männer aus Laufen und ein holländischer Zwangsarbeiter. Die Toten waren die 19-jährige Anneliese Haug, der 48-jährige Christian Herter, die 47-jährige Christina Herter, geborene König, die 39-jährige Luise Jörg, geborene König, der sechsjährige Manfred Jörg, die 20-jährige Frida Koch, geborene Wolf, der sechsjährige Reinhold Koch, der 58-jährige Christian König, die 57-jährige Maria König, geborene Stotz, die 87-jährige Regina König, geborene Schlegel, die 43-jährige Ottilie Link, die 45-jährige Anna Maria Oehrle geborene Müller, die 47-jährige Anna Maria Oehrle, geborene Schick, die 54-jährige Emma Spies, geborene Gomper, der 54-jährige Ludwig Spiess, der 23-jährige Niederländer Emil Scheire, die 17-jährige Ruth Schlegel, die zwei Jahre alte Elke Stotz und der 35-jährige Eugen Stotz.

Von den 19 Todesopfern des Luftangriffs haben 18 ihre letzte Ruhestätte in einem Sammelgrab auf dem Laufener Friedhof gefunden. Der Leichnam des Niederländers Emil Scheire, der ebenfalls in Laufen beigesetzt worden war, wurde Jahre später in seine Heimat überführt. Wie aus Gustav Riebers Chronik "Laufen" hervorgeht, hätte der junge Mann, der in der Pappenfabrik arbeitete und beim Angriff im "Gäßle" verschüttet wurde, möglicherweise gerettet werden können, wenn die Männer, die ihn freischaufeln wollten, nicht von einem braun uniformierten NSDAP-Funktionär gezwungen worden wären, die Arbeiten abzubrechen und an anderer Stelle fortzusetzen. Der Mann drohte ihnen mit vorgehaltener Pistole, jeden zu erschießen, der weiter grabe. Als die Rettungsarbeiten im "Gäßle" Tage später fortgesetzt werden konnten, war es zu spät. Das Klopfen des Verschütteten war verstummt; als man ihn fand, war er tot.