Um die Patienten in Zeiten von Corona bestmöglich zu versorgen, braucht es deutlich mehr Personal. (Symbolfoto) Foto: Vennenbernd

Nicht fehlende Intensivbetten in Calw und Nagold bereiten den Medizinern Sorge, sondern die zunehmenden Personalausfälle.

Die Lage in den Kreiskliniken ist angespannt, was die Behandlung von Corona-Patienten auf den Intensivstationen anbelangt. Und das liegt weniger an fehlenden Intensivbetten. "Der Knackpunkt", sagt Hubert Mörk, Ärztlicher Direktor am Nagolder Krankenhaus, "ist das Personal". Konsequenzen für den OP-Plan bleiben dabei nicht aus.

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Kreis Calw - 16 Intensivbetten haben die Kreiskliniken in Calw und Nagold im Regelbetrieb. Mit einigen technischen Veränderungen lässt sich diese Zahl binnen einer Woche auf 22 oder gar 32 Intensivplätze steigern. Dass Hubert Mörk bereits bei sechs intensivmedizinisch betreuten Covid-Patienten Alarm schlägt, liegt an einer Entwicklung, die den Klinikbetreibern zunehmend Sorge bereitet.

Bei der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr sind die Krankenhausmitarbeiter oft bis an ihre Grenzen gegangen, weiß Mörk: "Und das bekommen wir jetzt zu spüren." Personalausfälle nehmen in jüngster Zeit deutlich zu. "Die Leute sind Corona-müde, sagt Ingo Mattheus, Pressesprecher des Klinikverbundes Südwest.

"Das ist ein enormer Aufwand"

Aber um die Patienten in Zeiten von Corona bestmöglich zu versorgen, braucht es deutlich mehr Personal: für die Fieberambulanz, die Verdachtsfälle behandelt, für Quarantänestationen, für die Isolierstation und vor allem für die Intensivstation mit Personal, das exklusiv für diesen Bereich arbeitet: "Das ist ein enormer Aufwand", sagt Mörk, "und lässt sich gerade so noch steuern". Aber was ist, wenn die Kliniken "volllaufen", wie es Landrat Helmut Riegger in einer eigens anberaumten Pressekonferenz zu den jüngsten Entwicklungen der Pandemie formulierte?

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Was die herkömmliche Versorgung von Covid-Patienten ohne intensivmedizinische Betreuung anbelangt, hat man im Landkreis vorgesorgt und holt das bewährte Konzept vom Frühjahr aus der Schublade. "Zum Glück haben wir viele Reha-Kliniken im Kreis", sagt Landrats-Stellvertreter Frank Wiehe. Diese Reha-Einrichtungen sorgen genauso wie das Klinikum Nordschwarzwald, die Paracelsus-Klinik in Unterlengenhardt oder die Kinderklinik Schömberg dafür, dass die stationäre Versorgung von Patienten gewährleistet sein wird, auch wenn sich die Lage zuspitzt. "Aber die Hauptlast tragen die Kreiskliniken", konstatiert Thomas Breitkreuz, Ärztlicher Leiter der Paracelsus-Klinik, "weil sie die Beatmungsgeräte haben."

Krankheit trifft alle Bevölkerungsgruppen

Das Durchschnittsalter der Corona-Patienten in den Krankenhäusern beträgt 70 Jahre. Aber die Krankheit trifft alle Bevölkerungsgruppen, erklärt Klinikchefin Alexandra Freimuth: "von 18 bis 90 Jahren". 35 Menschen sind bislang im Kreis an oder in Zusammenhang mit Sars-Covid 2 gestorben, im Durchschnitt waren die Patienten 78 Jahre alt. Viele starben ohne Beatmung in Pflegeheimen, weil sie dies in einer Patientenverfügung abgelehnt hatten.

Die angespannte Lage in den Kreiskliniken hat Auswirkungen auf elektive Operationen, also auf Wahleingriffe, die nicht dringlich und aufschiebbar sind. Normalerweise kann der OP-Zeitpunkt vom Patienten bestimmt werden. Aber in diesen Zeiten müssen solche Eingriffe hintan stehen: "Wir haben gar keine andere Wahl", sagt Hubert Mörk. Bereits im Frühjahr waren diese elektiven OPs um 40 Prozent zurückgefahren worden. Jetzt wird nur noch operiert, was unaufschiebbar ist. Das stößt bei den Betroffenen nicht unbedingt auf Akzeptanz. Hubert Mörk: "Bei der ersten Welle hatten fast alle Patienten noch dafür Verständnis. Jetzt ist das Verständnis nicht mehr so groß. Aber wenn wir verschieben können, müssen wir es verschieben".

Mehr als ein Prozent der Kreisbevölkerung infiziert

20.861 Kreisbewohner sind bis heute getestet worden, ob sie vom Corona-Virus infiziert worden sind oder nicht. Übers Wochenende meldete das Landratsamt weitere 63 Neuinfektionen. Damit summiert sich die Zahl der Corona-Fälle im Kreis auf insgesamt 1869 – etwas mehr als ein Prozent der Kreisbevölkerung. Der Landkreis will nun seine Testzentren von zwei auf drei ausbauen. Bislang gibt es solche Zentren in Calw und Nagold. In der kommenden Woche soll eine solche Einrichtung auch im Enztal eröffnet werden. Standort soll laut Landrat Riegger die Gemeinde Dobel sein.

Kreis Calw. "Wir alle sind jetzt Gesundheitsamt", sagt Landrat Helmut Riegger. Jeder zehnte Mitarbeiter im Landratsamt ist heute zur Bewältigung der Corona-Pandemie eingesetzt. Bei der Kontaktnachverfolgung bekommen sie zudem Unterstützung vom in Calw stationierten Kommando Spezialkräfte, das zehn Soldaten für das Aufspüren von Infektionsherden abgestellt hat. Aber als der Kreischef bei der Pressekonferenz gefragt wurde, wo die Menschen im Kreis sich nach seinen Erkenntnissen vornehmlich infiziert haben, bekannte er offen: "Wir wissen es nicht."

Jeder Fall hat mindestens 15 Kontakte

Dabei leisten die 100 Mitarbeiter, die sich in Büros und umfunktionierten Sitzungssälen in kleinen Telefonboxen drängen, eine kriminalistische Puzzlearbeit. Jeder Corona-Fall ist durchschnittlich mit 15 Kontakten verbunden, denen allen nachgegangen werden muss. Bei den vor dem Wochenende gemeldeten 86 Neuinfizierten sind das fast 1300 Telefonate, die zu führen sind. "Das ist Kontaktnachverfolgung auf allerhöchstem Niveau", sagt Riegger. Aber genau lokalisieren lassen sich die Infektionsherde dennoch nicht.

Frank Wiehe, Erster Landesbeamter, hat aber seine Vermutungen. Zuerst die Rückreisewelle, dann sei der Schulbetrieb wieder aufgenommen worden: "Und wir wissen, was nach zehn Tagen passiert ist." Wiehe nennt die Schulen zwar nicht explizit als Treiber, das sei schließlich "nicht so populär. Aber die Vermutung liegt doch recht nahe." Elf Ausbrüche meldete man jüngst in Schulen – so viele wie sonst in keinen anderen Einrichtungen. Pflegeheime waren mit sechs Fällen betroffen. Laut Wiehe würde sich "ein ganz großer Teil im privaten Bereich" infizieren.

Im Landratsamt widmet man sich mit der Kontaktnachverfolgung nicht nur der Vergangenheit, sondern schmiedet Pläne für die Zukunft. Wenn im Frühjahr die Impfphase beginnen sollte, will man vorbereitet sein. Landrat Riegger geht fest davon aus, dass der Landkreis, voran mit seinen Kliniken, die Impfungen durchführen wird. Aber dass man vom Bund in dieser Frage im Unklaren gelassen wird, wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn genauso angelastet wie die fehlende finanzielle Unterstützung der Kliniken in dieser Pandemie. Riegger erinnert Spahn an sein Versprechen, Krankenhäuser dürften aufgrund von   Corona   keine      Verluste einfahren. "Wenn er diesen Satz wiederholen würde, wäre es ganz gut."