Beim letzten Feinschliff fürs Sommertheater: Regisseur Jürgen von Bülow. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Sommertheater: Regisseur über seine Arbeit in Freudenstadt und andernorts / Ideen kommen am Steuer

Freudenstadt . Auf der Zielgeraden zur Premiere des Theater-Spaziergangs "Auf nach Freudenstadt!" ist noch viel Arbeit angesagt. Mit der Vorfreude nimmt bei den Mitwirkenden allerdings auch die Anspannung zu. Wir sprachen mit Regisseur und Autor Jürgen von Bülow über die Theaterarbeit.

Sie sind jetzt durchgehend an der Spielstätte. Wie stecken Sie die Dauerpräsenz und das Pendeln zwischen Stuttgart und Freudenstadt weg?

Eigentlich ganz gut: Da ich, bis auf diese letzte Woche, nur am Wochenende probe, stecke ich so gut wie nie im Stau. Und besonders nach einer mehrstündigen Theaterprobe kann ich beim Fahren ganz entspannt zur Ruhe kommen und noch mal alles durchdenken. Manche haben ihre besten Ideen beim Joggen oder Duschen, mir fällt viel beim Autofahren ein.

Einige Inszenierungen von Ihnen laufen parallel zum Freudenstädter Sommertheater. Wie bringen Sie das alles auf die Reihe?

Das Wichtigste ist, Termine weit im Voraus zu planen. Aber dass ich mehrere Stücke gleichzeitig inszeniere, liegt einfach daran, dass mir die Theaterarbeit ungeheuren Spaß macht. Zu spüren, was der richtige Tipp ist, den ich einem Spieler geben kann, damit er bei den Vorstellungen bestmöglich seine Rolle spielt, zu sehen, wie anfänglich Rudimentäres plötzlich ein Ganzes, ein abendfüllendes Stück wird, begeistert mich. Es hilft auch, dass die Projekte so verschieden sind: Ich inszeniere kleine, feine Zweipersonenstücke ("Die Zimmerschlacht" von Martin Walser, Theaterkeller Sindelfingen), Mundarttheater (Theaterbrettle Plüderhausen) sowie Stücke am Jakobus Theater Karlsruhe, dem Dreigroschentheater Stuttgart und mit meiner Theatergruppe der Uni Hohenheim.

Nach dem Erfolg des Stücks "Alles Glück der Welt" vor zwei Jahren haben Sie sich erneut verpflichten lassen. Was hat Sie dazu veranlasst?

Es ist eine wunderbare Sache, mit einer Theatergruppe zusammenzuarbeiten, bei der man so herzlich aufgenommen wird. Dasselbe gilt für Michael Krause von der Freudenstadt Tourismus. Und es ist natürlich spannend, gemeinsam mit Produktionsleiter Thomas Fischer ein Thema speziell für Freudenstadt zu entwickeln und daraus dann ein Theaterstück zu schreiben. Außerdem: Was will man mehr, als bei diesem Jahrhundertsommer im Kurpark zu proben und ein bisschen braun zu werden?

Welches Arbeitsprinzip verfolgen Sie im Umgang mit den Mitwirkenden auf und hinter der Bühne?

In Deutschland und speziell im Schwabenland wird man für das, was man gut macht, selten gelobt. Wenn doch, dann bekommt man es meist nicht einmal mit. Ich lobe die Schauspieler sehr gern für das, was sie, meiner Meinung nach, gut hinbekommen. So motiviere ich sie, sich in dieser Richtung weiter zu bemühen. Als Regisseur sollte man sich sagen: Man hat 40 Proben – man muss nicht in der ersten Probe ein perfektes Ergebnis einfordern wollen. Man muss einfach Mut machen, dass wir, ab dem Abend der Premiere, den Zuschauern ein beeindruckendes Theatererlebnis bieten werden.

Was bedeutet für Sie Theaterarbeit?

Ich habe lange beim Fernsehen gearbeitet und fand es beeindruckend, dass Dinge, die man geschrieben hat, von sehr vielen Menschen gesehen werden. Aber letztlich ist man bei Film und Fernsehen nur ein kleiner Teil einer großen Maschinerie. Beim Theater ist alles sehr viel direkter, und besonders beim Amateurtheater geht es erst mal darum, eine Geschichte so gut wie möglich auf die Bühne zu bringen. Natürlich habe ich immer eine Vorstellung, wie eine Szene sein sollte, doch bei den Proben kommen oft Ideen der Mitarbeiter oder der Schauspieler, und die nehme ich gerne und dankbar auf.

In "Auf nach Freudenstadt!" gibt es auch Gewaltszenen. Halten Sie die Altersempfehlung für Besucher ab zehn Jahren dennoch für gerechtfertigt?

Ich muss Ihnen Recht geben: Es gibt im Stück Szenen, da bleibt einem die Luft im Hals stecken. Aber diese Momente sind kurz, außerdem fließt kein Blut, und niemand kommt auf grausame Art und Weise zu Schaden. Deshalb glaube ich, dass auch zehnjährige Kinder diesen Theaterabend als spannend empfinden und keine Albträume haben werden.

Sie halten den klassischen Schulunterricht im Hinblick auf Theaterwerke für verbesserungswürdig. Welche Didaktik und Methodik schlagen Sie vor?

Ein Lehrer, der im Unterricht Theaterstücke behandeln muss, tut gut daran, sich einen kurzen Dialog vorzunehmen und diesen von ganz verschiedenen Schülern lesen zu lassen. Beispielsweise lesen zwei Schüler den Faust und das Gretchen. Dann lesen zwei andere Schüler dieselbe Szene. Anschließend lesen wieder zwei andere Schüler diesen Dialog, und am Ende entscheiden alle Schüler, wer mit wem ein viertes Mal die Szene liest. Ich glaube, so spüren die Schüler, dass ein Theatertext in erster Linie nicht zum Lesen gedacht ist, sondern zum Spielen und sehr von den Personen abhängt, welche die Szene interpretieren.  Die Fragen stellte Gerhard Keck